VDL_RAPPORT_ANALYTIQUE_02_2023_27_03

Analytischer Bericht der Gemeinderatssitzungen Compte rendu analytique des séances du conseil communal No 2/2023 Sitzung vom / Séance du 27.03.2023

No 2/2023

83 TAGESORDNUNG der Sitzung vom Montag, dem 27. März 2023 IN ÖFFENTLICHER SITZUNG I. Fragen der Gemeinderäte (Seite 84) II. Verkehr (Seite 86) III. Abänderung des „Règlement général de police“ der Stadt Luxemburg nach dem Inkrafttreten des Gesetzes vom 27. Juli 2022 (Seite 88) Die Punkte IV bis XX wurden auf die Sitzungen vom 31. März und 17. April 2023 vertagt. IN NICHTÖFFENTLICHER SITZUNG – Ersetzung eines Mitglieds einer beratenden Kommission – Personalangelegenheiten

84 DE SITZUNG VOM MONTAG, DEM 27. MÄRZ 2023 Bürgermeisterin Lydie POLFER leitet die Sitzung. In öffentlicher Sitzung Bürgermeisterin Lydie POLFER: Bevor wir zur Tagesordnung übergehen, möchte ich Ihnen eine neue Kollegin vorstellen. Ende vergangener Woche habe ich Frau Françoise Deutsch vereidigt. Ich heiße Frau Deutsch herzlich willkommen im Gemeinderat der Stadt Luxemburg. Rätin Françoise DEUTSCH (DP): Vielen Dank für die netten Worte. Ich möchte mich dafür bedanken, dass ich im Gemeinderat mitarbeiten kann und freue mich sehr auf die neue Herausforderung. Der Namensaufruf ergibt die Beschlussfähigkeit des Gemein- derates. I. FRAGEN DER GEMEINDERATSMITGLIEDER 1) Frage von Rätin Margue über die Neugestaltung der Place de la Constitution („Gëlle Fra“) Rätin Elisabeth MARGUE (CSV): Seit mehreren Jahren werden politische Diskussionen über die Neugestaltung der Place de la Constitution geführt. Insbesondere war die Rede davon, den Parkplatz zu entfernen und einen grüneren und geselligeren Platz zu schaffen. Ein Plan, der im Anhang der Antwort von Minister François Bausch auf eine parlamentarische Anfrage zu diesem Thema veröffentlicht wurde, sieht vor, dass bei der Neugestaltung zahlreiche Bäume gefällt werden. Wie alt sind die fraglichen Bäume? Kann der Schöffenrat bestätigen, dass diese Bäume entfernt werden? Falls ja, stimmt er dieser Maßnahme zu? Bürgermeisterin Lydie POLFER: Die Stadt hat keine Informationen über das Alter der Bäume, da die Place de la Constitution und die Bäume dem Staat gehören. Ich möchte daran erinnern, dass der Staat einen Ideenwettbewerb für die Neugestaltung des Platzes veranstaltet hatte. Die Stadt war mit der von den Architekten, die den ersten Preis gewonnen hatten, vorgeschlagenen Neugestaltung nicht einverstanden, da viele große Bäume, die im Sommer Schatten spenden, gefällt werden sollten. Es war zwar vorgesehen, neue Bäume zu pflanzen, doch würden diese viel Zeit zum Wachsen benötigen. Diesbezüglich fand eine Unterredung zwischen dem Schöffenrat und Minister François Bausch statt. Der Minister stimmte mit den Vertretern der Stadt darin überein, dass es besser sei, die Fällung der vielen alten Bäume zu vermeiden. Man einigte sich darauf, die Architekten zu beauftragen, ihre Pläne so zu abzuändern, dass die schönen alten Bäume stehen bleiben können und nur einige kleine Bäume, die eine Sichtachse zum Petruss-Tal versperren, entfernt werden. Ein erneutes Treffen zwischen den betroffenen Akteuren ist vorgesehen. 2) Frage von Rätin Konsbruck bezüglich der Erweiterung der Kompetenzen der „agents municipaux“ Bürgermeisterin Lydie POLFER: Das Thema der Erweiterung der Kompetenzen der „agents municipaux“ steht auf der Tagesordnung dieser Gemeinderatssitzung. Wir möchten Rätin Konsbruck aber die Gelegenheit geben, ihre Anfrage jetzt unter dem Punkt „Fragen der Gemeinderäte“ vorzustellen. Rätin Claudine KONSBRUCK (CSV): Das Gesetz vom 27. Juli 2022 über kommunale Verwaltungssanktionen und die Erweiterung der Befugnisse der „agents municipaux“ sieht eine Reihe neuer Maßnahmen vor, die den Gemeindebehörden zur Verfügung stehen, darunter eine Liste von Tatbeständen und Unzivilisiertheiten, die künftig mit einer Verwaltungsstrafe geahndet werden können. Wie gedenkt die größte Gemeinde des Landes dieses wichtige neue Gesetz umzusetzen? Inwiefern beabsichtigt der Schöffenrat, die allgemeine Polizeiverordnung der Stadt anzupassen? Werden bereits spezielle Schulungen für die „agents municipaux“ durchgeführt? Plant die Stadt die Einstellung von zusätzlichen „agents municipaux“? Bürgermeisterin Lydie POLFER: Die Zahl der „agents municipaux“, die für die Stadt arbeiten, wird von 79 auf 83 steigen. Die Allgemeine Polizeiverordnung, wie sie in dieser Gemeinderatssitzung abgeändert wird, muss vom Innenministerium genehmigt werden. Die Information und Schulung der „agents municipaux“ wird aber schon vor der Genehmigung durch das Ministerium stattfinden. Diese Schulung umfasst auch Kurse zur Konfliktbewältigung, die von Mitarbeitern des Projekts „A vos côtés“ abgehalten werden. Die „agents municipaux“ werden bei 17 verschiedenen Tatbeständen eingreifen dürfen. Grundsätzlich können Verstöße gegen die anderen Bestimmungen der Allgemeinen Polizeiverordnung nur von der Polizei geahndet werden, es sei denn, die „agents municipaux“ haben eine spezielle Ausbildung beim INAP (Institut national de l’administration publique) absolviert. Bislang haben vier Gemeindebeamte diese Ausbildung absolviert. Die betreffenden Personen müssen das interne Promotionsexamen bestanden haben und vor dem Bezirksgericht vereidigt worden sein. Bisher wurde noch kein „agent municipal“ vereidigt. Das Gesetz vom 27. Juli 2022 trat am 1. Januar 2023 in Kraft, die erwähnte Ausbildung beim INAP wird jedoch erst seit Februar 2023 angeboten. 3) Frage von Rat Krieps über die Valorlux-Tüten Rat Tom KRIEPS (LSAP): Valorlux-Tüten werden häufig außerhalb der Müllabfuhrtage auf öffentlicher Straße oder auf Privatgrundstücken abgestellt. Ich hatte diese Frage mit einem Foto aus der Rue de la Toison d’Or in Belair illustriert, auf dem Valorlux-Tüten in einer Hecke und hinter einem Stromkasten vor einem Wohnhaus zu sehen sind. Die Abfallwirtschaftsverordnung ist nicht ganz klar für Situationen, in denen sich Valorlux-Tüten auf einem Privatgrundstück befinden. Verstößt das Abstellen der blauen Tüten in diesem Fall gegen die Abfallwirtschaftsordnung der Stadt, wenn nicht sogar gegen die nationale Abfallgesetzgebung? Gedenkt die Stadt zu reagieren, um die Urheber solcher Ablagerungen zu bestrafen? Schöffe Patrick GOLDSCHMIDT: Das Problem der ValorluxTüten, die außerhalb der Abfuhrtage auf öffentlicher Straße abgestellt werden, tritt im Stadtgebiet häufig auf, vor allem weil es sehr schwierig oder sogar unmöglich ist, die Eigentümer der Tüten ausfindig zu machen. Zudem hat das Abstellen einer Valorlux-Tüte außerhalb der Abfuhrtage oft einen Schneeballeffekt, da viele Bürger, die eine blaue Tüte sehen, denken, dass sie ihre eigenen ebenfalls herausstellen müssen. Die Ablagerung von Abfällen auf Privatgrundstücken ist verboten, jedoch hat die Stadt keine Möglichkeit, in solchen Fällen einzugreifen. Falls sich die Tüten außerhalb der Abfuhrtage auf der öffentlichen Straße befinden, informiert der „Service Hygiène“ der Stadt Luxemburg die Einwohner per Notiz, dass sie die Tüten bis zum Abfuhrtag entfernen müssen. Die neue Version der Allgemeinen Polizeiverordnung wird diesbezüglich weitere Bestimmungen enthalten. Verstöße gegen diese Bestimmungen können dank der erweiterten Befugnisse der städtischen Beamten geahndet werden. Nur in extremen Fällen von unhygienischen Zuständen greift der Hygienedienst direkt auf Privatgrundstücken ein. Er sucht immer zuerst mit dem Eigentümer des Grundstücks nach einer Lösung. Im vorliegenden Fall hat die Dienststelle angekündigt, die Eigentümergemeinschaft zu kontaktieren,

85 DE SITZUNG VOM MONTAG, DEM 27. MÄRZ 2023 um eine Lösung für die Lagerung der Valorlux-Tüten innerhalb des Gebäudes zu finden. 4) Frage von Rat Benoy über die Fertigstellung des Mobilitätsplans der Stadt Luxemburg Rat François BENOY (déi gréng): Der Zeitplan für die Erstellung des Mobilitätsplans der Stadt Luxemburg wurde am 30. September 2021 in der Mobilitätskommission vorgestellt. Dabei wurde angekündigt, dass die vierte und letzte Phase für das dritte Quartal 2022 geplant sei. In welcher Phase befindet sich der Mobilitätsplan genau? Einige Antworten wurden im Mobilitätsbeirat gegeben, doch bleibt einiges unklar. Wann wird der Plan fertiggestellt und vorgestellt? Hat der Schöffenrat eine öffentliche Debatte zu diesem Thema im Gemeinderat vorgesehen? Schöffe Patrick GOLDSCHMIDT: Am 25. Januar 2023 fand eine Sitzung des Mobilitätsbeirats statt, dem auch Rat Benoy angehört. Dabei wurde der aktuelle Stand des Plans besprochen. Der Plan befindet sich derzeit in der Endphase. Die nächste und letzte Sitzung ist für den 30. März 2023 angesetzt. Der Mobilitätsplan ist ein äußerst wichtiges Instrument, um die Entwicklung der Stadt in den nächsten 10 bis 15 Jahren zu begleiten. Es erscheint daher sinnvoll, sich die nötige Zeit für die Fertigstellung der letzten Berichte zu nehmen und dafür zu sorgen, dass der nächste Schöffenrat, das nach den Kommunalwahlen vom 11. Juni 2023 gebildet wird, über einen fertigen Entwurf verfügt, der im Gemeinderat diskutiert werden kann. Der Zeitplan der beratenden Kommissionen und die vielen Punkte auf der Tagesordnung des Gemeinderats würden es kaum erlauben, sich vor den Wahlen noch einmal mit diesem wichtigen Thema zu befassen. Es ist wünschenswert, dass sich der nächste Gemeinderat in aller Ruhe mit diesem wichtigen Dokument befassen kann. Die Grundzüge des Mobilitätsplans sind bereits bekannt, nicht zuletzt aufgrund meiner und der Erklärungen der Bürgermeisterin gegenüber der Presse. Der öffentliche Transport wird eine äußerst wichtige Rolle spielen, da nur durch ihn in den kommenden Jahren ein völliger Stillstand vermieden werden kann. Auch die sanfte Mobilität spielt eine wichtige Rolle, allerdings liegt der Anteil der Fußgänger derzeit nur bei etwa 3%, so dass selbst bei einer Verdreifachung nur 9 oder 10% erreicht würden. Es geht also darum, den öffentlichen Verkehr so zu organisieren, dass sich Zug, Straßenbahn und Bus optimal ergänzen. Dies setzt voraus, dass die notwendigen Korridore für Bus und Tram reserviert werden. Die Stadt wird das Netz der Fahrradrouten permanent weiter ausbauen. 5) Anfrage von Rätin De Macedo bezüglich der Streichung von Einwohnern aus dem Bevölkerungsregister der Stadt Luxemburg Rätin Eduarda DE MACEDO (déi gréng): In einem Artikel im „Luxemburger Wort“ vom 20. Januar 2023 erklärte die Bürgermeisterin, dass 2.464 Personen, die im Bevölkerungsregister der Stadt Luxemburg eingetragen waren, von Amts wegen aus diesem Register gestrichen wurden, da es sich in den meisten Fällen um betrügerische Eintragungen gehandelt habe. Die Stadt verlangt nunmehr die Vorlage eines Mietvertrags oder eines anderen Dokuments, das belegt, dass die betreffende Person tatsächlich dort wohnt, wo sie dies vorgibt. Auf der Webseite der Stadt ist zu lesen, dass neue Bewohner für die Eintragung in das Einwohnermelderegister entweder eine aktuelle Strom-, Wasser- oder Festnetztelefonrechnung, einen Mietvertrag oder eine vom Eigentümer oder Mieter ausgefüllte und unterschriebene Unterkunftsbescheinigung vorlegen müssen. Angesichts der sehr angespannten Lage auf dem Wohnungsmarkt und der Tatsache, dass die Stadt die bei der Anmeldung angegebenen Adressen nicht überprüft, melden sich viele Menschen in der Stadt an, obwohl sie in anderen Gemeinden oder jenseits der Landesgrenzen leben. Aufgrund welcher Informationen oder Feststellungen wurden im Jahr 2022 die Streichungen von Amts wegen aus dem Bevölkerungsregister vorgenommen? Welche Profile hatten die Personen, die in Wirklichkeit nicht in der Hauptstadt wohnten? Wie wurden diese Personen über ihre Streichung aus dem Einwohnermelderegister informiert? Wurde eine Strafverfolgung eingeleitet? Wie will das Bierger-Center in Zukunft vorgehen, um solche Situationen zu verhindern? Wie ist das Verfahren, wenn eine Person, die mit einem Arbeitsvertrag aus dem Ausland nach Luxemburg kommt, sich registrieren lassen möchte, ohne sofort über eine Wohnung zu verfügen? Bürgermeisterin Lydie POLFER: Um sich in das Bevölkerungsregister der Stadt einzutragen, muss man entweder eine Wohnung gemietet haben, in der Wohnung eines Bewohners wohnen oder Eigentümer einer Wohnung sein. Anfang 2022 begann die Stadt, diese Informationen konsequenter zu überprüfen, denn immer mehr Einwohner erhielten Briefe, die an Personen adressiert waren, die nie an der betreffenden Adresse gewohnt hatten. Zudem wurden während der Corona-Pandemie viele Briefe, in denen die Einwohner aufgefordert wurden, Atemschutzmasken bei der Gemeinde abzuholen, per Post an die Stadt zurückgeschickt mit dem Vermerk, dass der Empfänger an der angegebenen Adresse unbekannt sei. Bei Unregelmäßigkeiten dieser Art kann die Stadt die Polizei bitten, Überprüfungen vor Ort vorzunehmen. Die Polizei hat die Stadt nicht über die genauen Umstände und das weitere Vorgehen in den einzelnen Fällen informiert, und die Stadt ist nicht befugt, Informationen über das Profil der betroffenen Personen anzufordern. Personen, die von Amts wegen aus dem Bevölkerungsregister gestrichen wurden, haben keinen Anspruch mehr auf die zahlreichen Vorteile, die den Bewohnern der Hauptstadt vorbehalten sind - von der Möglichkeit, hier zu heiraten, bis hin zu finanziellen Hilfen. 6) Anfrage von Rat Krieps bezüglich der Zugänglichkeit öffentlicher Toiletten für Menschen mit eingeschränkter Mobilität Rat Tom KRIEPS (LSAP): Nur wenige öffentliche Toiletten, die sich auf dem Stadtgebiet befinden, sind für Rollstuhlfahrer zugänglich. Auch in privaten Einrichtungen sind oft keine Toiletten dieser Art zu finden. Beabsichtigt die Stadt, zusätzliche behindertengerechte Toiletten einzurichten, insbesondere in den Stadtteilen Bahnhof und Oberstadt? Schöffe Patrick GOLDSCHMIDT: Das im Jahr 2017 erstellte Konzept für öffentliche Toiletten gibt Auskunft über die bestehenden Einrichtungen. Im Rahmen dieses Konzepts wurde festgehalten, dass alle neuen öffentlichen Toiletten für Personen mit eingeschränkter Mobilität zugänglich sein müssen.

86 DE SITZUNG VOM MONTAG, DEM 27. MÄRZ 2023 Behindertengerechte Toiletten gibt es bei den BockKasematten (Montée de Clausen), in der Nähe des „Klenge Knuedler“ (Rue Notre-Dame; wegen der Baustelle für die Erweiterung des Parking Knuedler vorübergehend geschlossen) und auf dem Theaterplatz, im Cercle municipal (Rue du Curé), im Stadtpark beim Piratenschiff und auf dem Glacis für die Oberstadt sowie am Hauptbahnhof (von den CFL betriebene Toiletten) und auf dem Place de Paris für das Bahnhofsviertel. Alle neuen öffentlichen Toiletten, die z.B. im neuen Park von Zessingen oder im Petruss-Tal eingerichtet werden, sind für Personen mit eingeschränkter Mobilität zugänglich. Ich bitte Rat Krieps, die Stadt zu informieren, wenn es ein Problem mit der Zugänglichkeit einer bestimmten öffentlichen Toilette gibt. Rat Tom KRIEPS (LSAP): Im Merler Park gibt es auch eine öffentliche Toilette, die für Personen mit eingeschränkter Mobilität zugänglich ist, aber der besagte Park schließt am frühen Abend seine Pforten. Schöffe Patrick GOLDSCHMIDT: Das wirft eine weitere Frage auf, nämlich die, ob die Öffnungszeiten der Parks generell angemessen sind. Es ist eine berechtigte Frage, ob die Öffnungszeiten einiger öffentlicher Toiletten ausgeweitet werden sollten. II. VERKEHR Rat François BENOY (déi gréng): déi gréng haben im Rahmen des Punktes „Verkehr“ eine Motion eingereicht. Verkehrssicherheit und eine Ausweitung der Tempo-30-Zone stehen vielfach im Mittelpunkt von in der Öffentlichkeit geführten Diskussionen. Mobilitätsschöffe Goldschmidt hat in einem Radio-Interview gesagt, dass er prinzipiell der Ansicht sei, dass die Tempo-30-Regelung innerorts die Regel und die Tempo-50-Regelung die Ausnahme sein sollte. Immer mehr Bürger wünschen sich eine Ausweitung der Tempo-30-Zonen, damit die Mobilität der Fußgänger und Radfahrer im öffentlichen Raum sicherer und attraktiver wird. Fakt ist, dass das Auto nach wie vor priorisiert wird, zum Nachteil der Lebensqualität von Fußgängern und Radfahrern. Mit der Aussage von Bürgermeisterin Polfer, die immer wieder betont, dass das Problem bei den Tempo-30-Zonen, deren es viele auf dem Gebiet der Stadt Luxemburg gebe, die Durchführung von Polizeikontrollen sei, kann ich mich nicht einverstanden erklären. Kontrollen sind zweifelsohne notwendig, doch sagen die meisten Mobilitätsexperten auch, dass es zusätzliche Maßnahmen braucht, eine andere infrastrukturelle Gestaltung der Zone, um zu erreichen, dass die Geschwindigkeitsbegrenzung von den Autofahrern respektiert wird. Im Jahr 2013 hat das Mobilitätsministerium neue Richtlinien für kommunale Straßen erlassen. Verschiedene der vorhandenen Tempo-30-Zonen entsprechen noch nicht den Vorgaben dieser Richtlinien, weil sie vor 2013 eingerichtet wurden. Die neuesten Richtlinien im Sinne einer Verkehrsberuhigung sind aus dem Jahr 2022. Der nationale Mobilitätsplan sieht vor, dass punktuell auch sogenannte „routes de distribution“ und „rues de desserte locales“ anders gestaltet werden können, um den Transitverkehr (Individualverkehr, Schwerlastverkehr) zu unterbinden. Der Mobilitätsminister verschließt sich nicht, auch Staatsstraßen als Tempo-30-Zonen auszuweisen. In der vorliegenden Motion ist der Schöffenrat aufgerufen, infrastrukturelle Maßnahmen zu ergreifen (Verkehrsschikanen, Bremsschwellen, Randstreifen, Fußgängerüberwege, baulich erhöhte Kreuzungen), dies nicht nur im Bereich der Zufahrten der Tempo-30-Zonen, sondern auch innerhalb dieser Zonen und das auf dem gesamten Territorium der Stadt Luxemburg. Der Schöffenrat wird ebenfalls aufgefordert, die Tempo-30Zonen und die begrenzten Tempo 30-Strecken auszuweiten, wobei diese prioritär im Bereich von Schulen, wo Kinder und Schüler unterwegs sind, einzurichten wären. Uns ist klar, dass dies nicht von heute auf morgen umgesetzt werden kann. Bei der Ausweitung der Tempo-30-Zonen - sowohl auf kommunalen als auch auf Staatsstraßen - sollten die im Bereich von Schulen gelegenen Straßen Priorität genießen. Ich hoffe, dass die Motion die Unterstützung des Gemeinderates finden wird. Motion « Le Conseil communal de la Ville de Luxembourg; Considérant – la volonté de créer des conditions sûres et attractives pour piéton:nes et cyclistes dans la Ville de Luxembourg; – la volonté d’améliorer la sécurité et la qualité de vie des citoyen:nes en revalorisant l’espace public, souvent organisé de manière à prioriser le trafic automobile; – la volonté de généraliser la limitation de vitesse à 30 km/h en Ville; – que les conducteur:rices de voitures respectent davantage la vitesse dans les « zones 30 » s’il y a d’autres mesures infrastructurelles et que ce type de mesure fait généralement défaut dans les « zones 30 » dans la Ville de Luxembourg; – les dernières lignes directrices du ministère de la Mobilité pour la voirie communale de 2013 et les lignes directrices concernant l’apaisement du trafic sur la voirie de l’Etat de 2022; – le Plan national de mobilité 2035 préconisant la possibilité d’aménager ponctuellement à 30 km/h les routes de liaison, une application plus large la limitation de la vitesse à 30 km/h voire 20 km/h pour les « routes de distribution » et les « rues de desserte locales » et l’aménagement des routes de manière à les rendre moins attractives pour le trafic de transit automobile et de poids lourds; – le soutien du ministre de la Mobilité et des Travaux publics pour l’installation de « zones 30 » sur les voies étatiques; invite le Collège échevinal – à installer des mesures infrastructurelles tels que chicanes, ralentisseurs, platebandes, passages piétons et carrefours surélévés, etc. non seulement dans les entrées des « zones 30 » mais aussi à l’intérieur de ces zones et cela sur tout le territoire de la Ville de Luxembourg; – à étendre les « zones 30 » et les tronçons limités à 30 km/h sur le territoire de la Ville de Luxembourg, en commençant par les alentours des écoles et les voiries encore réglementées à 50 km/h, dans le but d’une généralisation des zones 30 sur l’ensemble des voiries des quartiers d’habitations et de la ville haute. »

87 DE SITZUNG VOM MONTAG, DEM 27. MÄRZ 2023 Rätin Cathy FAYOT (LSAP): Ich habe Frau Generalsekretärin die Reglements genannt, bei denen sich unsere Fraktion beim Votum enthalten wird. Schöffe Patrick GOLDSCHMIDT: Da ich unter dem Punkt „Verkehr“ häufig auf Fragen antworten muss, die nicht direkt im Zusammenhang mit den auf der Tagesordnung stehenden Reglements stehen, erlaube auch ich mir heute eine Stellungnahme, die nicht im Zusammenhang mit der Tagesordnung steht. Am vergangenen Samstag hat die „Journée nationale de l‘inscription“ stattgefunden. Alle Fraktionen haben Einsatz gezeigt und auch die Gemeinde Luxemburg hat zur Einschreibung in die Wählerlisten aufgerufen. Eine Partei meinte, das Mobiliar der Stadt Luxemburg und die Verkehrsschilder mit Plakaten bekleben zu müssen. Da wäre an und für sich nichts dagegen zu sagen gewesen, hätten dieselben Leute diese Plakate später auch wieder entfernt. Sollte dies innnerhalb der kommenden 24 Stunden nicht geschehen, wird die Stadt der betreffenden Partei die Kosten für das Entfernen der Plakate durch den Hygienedienst in Rechnung stellen. Die Aussagen von Rat Benoy haben mich dahingehend erstaunt, als er behauptet, die Stadt Luxemburg würde nicht viel im Sinne der Verkehrssicherheit unternehmen. Es sei darauf hingewiesen, dass unsere Dienststellen an der Erstellung der genannten Richtlinien beteiligt waren. Richtlinien allein reichen nicht aus, um Maßnahmen umsetzen zu können. Es braucht auch eine Anpassung der nationalen Verkehrsordnung. Entsprechende Anpassungen wurden meinen Informationen zufolge nicht vorgenommen. Innerorts sind fast überall Tempo-30-Zonen eingerichtet. Vom Ministerium kam die Öffnung, nun auch Staatsstraßen als Tempo-30-Zonen ausweisen zu können. Die Gestaltung der Tempo-30-Zonen wurde entsprechend den Vorgaben umgesetzt. Die Tempo-30-Zonen haben zu einer Verkehrsberuhigung geführt. In einem Interview habe ich mich für Tempo 30 innerorts als Regel ausgesprochen. Tempo 50 sollte innerorts die Ausnahme sein. Wir stellen jedoch fest, dass der Wille zur Einführung einer Tempo-30-Zone auf dieser oder jener Nationalstraße nicht immer auf die Zustimmung des Mobilitätsministeriums trifft. Bürgermeisterin Lydie POLFER: Mir scheint, dass verschiedene Gemeinderatsmitglieder vom Vorwahlfieber gepackt wurden. Ich finde dies nicht ganz angebracht, insbesondere wenn Aussagen gemacht werden, die so nicht stimmen. In einem Schreiben vom 27. Januar 2023 wurde uns vom zuständigen Ministerium – das der Fraktion déi gréng nahesteht – mitgeteilt, dass die Einrichtung einer Tempo30-Zone im Bereich der Schule und des Schülerhorts in Rollingergrund – eine Nationalstraße – nicht genehmigt werden könne, da es der vorgesehene Streckenabschnitt zu lang sei. Mehr als 50 Prozent der kommunalen Straßen auf dem Gebiet der Stadt Luxemburg sind bereits als Tempo-30-Zonen ausgewiesen. Zusammengenommen ergibt dies eine Strecke von rund 51 Kilometern. Bezogen auf die Straßennamen erreichen wir über 73%. Würde die Tempo-30-Regelung überall dort, wo sie gilt, tatsächlich eingehalten werden, würde dies vieles verbessern. Würde das Mobilitätsministerium uns die Genehmigung zur Einrichtung von Tempo-30-Zonen auf nationalen Straßen bei Schulen und Schülerhorten sofort erteilen, wäre auch dies begrüßenswert. In einer Tageszeitung war heute morgen zu lesen, die Stadt Luxemburg sei nicht bereit, die RGTR-Buslinien auf ihren Anzeigetafeln anzuzeigen. Eine solche Aussage ist einfach falsch. Unnötige Diskussionen könnten vermieden werden, wenn sich alle an die Fakten hielten. In der von déi gréng eingereichten Motion werden Maßnahmen gefordert, die bereits zu großen Teilen umgesetzt wurden und weiter umgesetzt werden. Fakt ist auch, dass Tempo-30Zonen nur Makulatur bleiben, wenn keine Geschwindigkeitskontrollen durchgeführt werden. Was die Zielsetzung angeht, dürften wir uns alle einig sein: Es geht darum, die größtmögliche Verkehrssicherheit zu gewährleisten, insbesondere für die Kinder. Es freut mich Ihnen mitteilen zu können, dass eine vor zwei Jahren eingereichte Anfrage betr. die Installation von Geschwindigkeitsradars im Eingang des Val de Hamm - eine Staatsstraße - nunmehr grünes Licht vom Mobilitätsministerium erhalten hat. Leider gibt es immer noch zu viele Autofahrer, die hier zu schnell unterwegs sind. Eine ähnliche Anfrage haben wir beim Ministerium für die Rue de Neudorf eingereicht. Es ist bedauerlich, dass ein tragischer Verkehrsunfall als Aufhänger missbraucht wird, um Polemik zu betreiben. Ich hoffe, dass wir bald die Erlaubnis zur Installation eines Radars in der Rue de Neudorf erhalten werden. Die von déi gréng eingereichte Motion wird zur vertiefenden Diskussion an die zuständige beratende Kommission weitergeleitet. Rat François BENOY (déi gréng): Weder in der Motion noch in meiner Intervention wurden Vorwürfe gegen den Schöffenrat gerichtet. Ich habe darauf hingewiesen, dass es sich um ein Thema handelt, für das déi gréng sich seit vielen Jahren einsetzen, und ich weiß sehr wohl, dass auch der Schöffenrat sich um mehr Verkehrssicherheit in der Hauptstadt bemüht. Ich habe lediglich darauf hingewiesen, dass die Geschwindigkeitsüberschreitungen in den Tempo-30-Zonen allein durch Kontrollen nicht in den Griff zu bekommen sind und es zusätzliche bauliche Maßnahmen nicht nur in den Zufahrten zu den Tempo-30-Zonen, sondern auch innerhalb dieser Zonen braucht. Außerdem sprechen wir uns für eine Ausweitung der Tempo-30-Zonen aus. Die Initiative des Schöffenrates, eine Anfrage zur Einrichtung einer Tempo-30-Zone in der Rue de Rollingergrund von der Schule bis zum Schülerhort („foyer scolaire“) beim Ministerium eingereicht zu haben, ist lobenswert. Die Gründe, warum dem Antrag nicht Rechnung getragen wurde, kenne ich nicht. Ich kann mir nicht vorstellen, dass es eine pauschale Absage gegeben haben soll. Sollte es dennoch so sein, sollte erneut das Gespräch mit dem Ministerium gesucht werden. In der Motion wird in keiner Weise der Vorwurf erhoben, dass in den vergangenen Jahren vom Schöffenrat nicht genügend unternommen worden wäre. Nur habe ich ein Problem damit, wenn immer wieder gesagt wird, dass allein die Durchführung von Verkehrskontrollen das Problem der Geschwindigkeitsüberschreitungen lösen könne. In der Motion fordern wir zusätzliche bauliche Maßnahmen. Den Vorwurf, wir würden das Thema erst seit einigen Monaten aufgreifen, muss ich entschieden zurückweisen. Ich freue mich, dass wir die Diskussion im Interesse der Verkehrssicherheit in der beratenden Kommission vertiefen können. Bürgermeisterin Lydie POLFER: Es freut mich zu hören, dass die Fraktion déi gréng nicht die Absicht hatte, Vorwürfe zu erheben. Im Stadtteil Zessingen haben wir im Rahmen der Ausweisung einer Tempo-30-Zone im Bereich der Schule bauliche Maßnahmen ergriffen. In der Avenue Gaston Diderich haben wir bereits vor Jahren die Straße verengt und Bremsschwellen gebaut. Die Stadt Luxemburg setzt diese Politik im Sinne einer erhöhten Verkehrssicherheit fort. Rat Benoy sagte, er kenne nicht die Gründe der Weigerung des Ministeriums, eine Tempo-30-Zone in der Rue de Rollingergrund von der Schule bis zum Schülerhort zu genehmigen.

88 DE SITZUNG VOM MONTAG, DEM 27. MÄRZ 2023 Im Schreiben des Ministers wird die Stadt aufgefordert, die Länge des Tempo-30-Abschnitts entlang der Schule zu reduzieren. Es ist der Sache nicht förderlich, diese Ping-PongDiskussion weiterzuführen. Verschiedene definitive Änderungen an der kommunalen Verkehrsordnung werden einstimmig gutgeheißen. Eine Reihe von temporären Regelungen werden teils einstimmig, teils bei Enthaltung der LSAP-Vertreter angenommen. Rätin Ana CORREIA DA VEIGA (déi Lénk): Während der „Journée nationale de l‘inscription“ haben déi Lénk mehr als 200 Plakate in der Hauptstadt aufgehängt. Ich selbst habe an der Aktion teilgenommen. Eine Gruppe hat die Plakate aufgehängt, eine andere hatte die Aufgabe, die Plakate wieder zu entfernen. Das Entfernen der Plakate ist noch nicht abgeschlossen. Es war keineswegs unsere Absicht, diese nicht zu entfernen und selbstverständlich werden sie abgenommen. Es kann jedoch immer vorkommen, dass hier oder da ein Plakat übersehen wird. Rat Guy FOETZ (déi Lénk): Ich bitte Schöffe Goldschmidt, uns mitzuteilen, wo noch Plakate hängen. Ich war an jenem Tag im Ausland und habe nicht an der Aktion teilgenommen. Für das Aufhängen der Plakate waren nicht nur Mitglieder unserer Partei unterwegs. Persönlich meine ich, dass es besser gewesen wäre, Kontakt mit uns aufzunehmen, statt es uns erst heute im Gemeinderat mitzuteilen. Bürgermeisterin Lydie POLFER: Ich schlage vor, Sie erkundigen sich bei Ihrer Parteikollegin Correia da Veiga, die an der Aktion teilgenommen hatte. III. ABÄNDERUNG DES „RÈGLEMENT GÉNÉRAL DE POLICE“ Bürgermeisterin Lydie POLFER: Der Gemeinderat ist aufgerufen, verschiedenen Änderungen an der allgemeinen Polizeiverordnung der Stadt Luxemburg zuzustimmen. Eine dieser Anpassungen betrifft die kommunalen Verwaltungssanktionen und die Ausweitung der Befugnisse der kommunalen Agenten. Das Gesetz vom 27. Juli 2022 umfasst eine Liste, in welcher 17 strafbare Handlungen angeführt werden, die von den kommunalen Agenten mit Bußgeldern von 25 € bis 250 € geahndet werden können. Die im Gesetz aufgelisteten strafbaren Handlungen werden in die allgemeine Polizeiverordnung der Stadt Luxemburg aufgenommen. Eine andere wichtige Anpassung unseres Reglements betrifft das Betteln im öffentlichen Raum. Bevor ich das Wort an Schöffe Maurice Bauer weitergebe, möchte ich erneut klar und deutlich die Erwartung des Schöffenrates hinsichtlich der Regelung betr. die Bettelei darlegen. Seit Jahren werden wir nicht müde, auf eine Situation hinzuweisen, die jeder, der seine Augen davor nicht verschließt, sehen kann. Das organisierte Betteln im öffentlichen Raum breitet sich immer weiter aus. Das Strafgesetzbuch befasst sich auch mit der organisierten Bettelei als Strafbestand im Rahmen des Menschenhandels. Artikel 382-1 hält fest: « Constitue l’infraction de traite des êtres humains le fait de recruter, de transporter, de transférer, d’héberger, d’accueillir une personne, de passer ou de transférer le contrôle sur elle en vue : … de la livrer à la mendicité, d’exploiter sa mendicité ou de la mettre à la disposition d’un mendiant afin qu’il s’en serve pour susciter la commisération publique. » Dass der Strafbestand tatsächlich nicht oft geahndet wird, wurde uns nicht später als heute in einer großen Tageszeitung bestätigt. Die Staatsanwaltschaft des Bezirks Diekirch führt für das Jahr 2018 drei Strafdossiers, für 2019 ein Strafdossier, für 2020 zwei und für die Jahre 2021 und 2022 null Dossier in Sachen Ahndung von Menschenhandel im Zusammenhang mit organisierter Bettelei an. Es wundert demnach nicht, dass eine in der sozialen Szene sehr respektierte Person am vergangenen Freitag in der Abgeordnetenkammer folgende Aussage machte: „Wann ech Menschenhändler wier, da géing ech eng Filial zu Lëtzebuerg opmaachen, well ech géing wëssen, datt mer hei näischt geschitt.“ Das ist die Situation, die wir seit Jahren anprangern. Seit Jahren fordern wir ein Eingreifen, doch bisher ist nur sehr wenig erfolgt. Die organisierte Bettelei grassiert weiter und dehnt sich immer weiter aus. Mit dem Reglement sind keineswegs die Personen visiert, die in ihrem Leben weniger Glück hatten, die in eine Notlage geraten sind oder die für sich die Entscheidung getroffen haben, auf der Straße leben zu wollen. Warum haben wir trotz allem den Strafbestand der „mendicité simple“ zurückbehalten? Weil uns die Polizei und auch die Staatsanwaltschaft immer wieder sagen, dass der Strafbestand der organisierten Bettelei sehr schwer zu beweisen sei, dies aufgrund der Situation, dass die Bettler alleine und nicht in Gruppen anzutreffen sind. Schweren Herzens haben wir daraufhin die Formulierung des kommunalen Reglements der Gemeinden Diekirch - wo die LSAP den Bürgermeister stellt - und Ettelbrück übernommen. Im Visier stehen nicht die Armen. Schöffe Bauer wird darlegen, welche Maßnahmen die Stadt Luxemburg Tag für Tag unternimmt und welche Projekte sie unterstützt, um Menschen, die in Armut leben, zu helfen. Es zeugt nicht von Respekt jenen Leuten gegenüber, die sich in einer schwierigen Lebenslage befinden, zu sagen, dass Bettelei die beste Lösung sei. Wir meinen, dass es andere Lösungen gibt. Personen, die aus den verschiedensten Ursachen dennoch auf der Straße leben, sind nicht mit dem Verbot visiert. Ziel ist die organisierte Bettelei, wobei jene Menschen selbst Opfer einer kriminellen Bande sind. Diese Banden legen ein sehr „überzeugendes“ und zum Teil aggressives Vorgehen an den Tag. Die organisierte Bettelei beschäftigt die Bürger. Die Stadt Luxemburg wird dem Beispiel der Gemeinde Düdelingen folgen. Genannte Gemeinde hat eine sehr sensibel formulierte Mitteilung an ihre Bürger verschickt, um sie darauf aufmerksam zu machen, dass sie die organisierte Bettelei nicht unterstützen sollen, wissend, dass diese Bettler in einer Abbhängigkeit von Menschenhändlern leben. Hier bewegen wir uns nicht auf der Ebene der allgemeinen Polizeiverordnung der Stadt Luxemburg, sondern auf der Ebene des Strafgesetzbuchs. Die Gemeinde Düdelingen, der ein sozialistischer Bürgermeister vorsteht, ist mit großer Sensibilität vorgegangen. Wir wollen uns an ihrer Vorgehensweise orientieren. Wir alle haben Mitleid mit den Menschen, die in Not geraten und allen Instrumenten des Sozialstaates zum Trotz durch das soziale Netz gefallen sind. Nicht diese Personen sind visiert, sondern die organisierte Bettelei. Polizei und Justiz müssen gegen die organisierte Bettelei vorgehen können. In der Abgeordnetenkammer hat Frau Diane Schmitt, EU-Koordinatorin für die Bekämpfung des Menschenhandels, auf die Notwendigkeit hingewiesen, die verschiedenen Institutionen miteiander zu vernetzen. Frau Schmitt hat auch darauf hingewiesen, dass es schwer sei, den Beweis für organisierte Bettelei zu erbringen, dass dies aber kein Grund zur Resignation sein dürfe. Nichts zu unternehmen bedeutet, dass die organisierte Bettelei weiter zunimmt und immer mehr Menschen Opfer krimineller Banden werden.

89 DE SITZUNG VOM MONTAG, DEM 27. MÄRZ 2023 Die Stadt Luxemburg begleitet die hilfsbedürftigen Menschen mit viel Herz. Studien belegen, dass arme Menschen, die auf der Straße leben, mit den verschiedensten Problemen zu kämpfen haben. Dazu zählen Drogenabhängigkeit und psychische Krankheiten. Es gibt Personen, die durch das soziale Netz gefallen sind, aber auch Personen, die Opfer von organisierter Bettelei sind. Das Geschäftsmodell der organisierten Bettelei unterscheidet sich grundsätzlich von der einfachen Bettelei. Mit diesem Reglement hoffen wir ein Bewusstsein für die Problematik der organisierten Bettelei zu schaffen. Seit Jahren fordern wir ein Vorgehen gegen die organisierte Bettelei und immer wieder wird uns gesagt, wie schwer es sei, sie zu beweisen. Wir hoffen nun auf ein anderes Bewusstsein, bei der Polizei und vor allem auch bei der Justiz. Schöffe Maurice Bauer wird nun auf die verschiedenen Hilfen eingehen, welche die Stadt Luxemburg leistet. Schöffe Maurice BAUER: Was mussten wir in den vergangenen sieben Tagen nicht alles in der Presse lesen! Man hätte meinen können, verschiedene Gemeinderäte wären in den vergangenen fünf, sechs Jahren und darüber hinaus nicht Mitglied des Gemeinderates gewesen. Dabei wurden die sozialen Maßnahmen, die das Ziel hatten, in dieser Stadt Menschen in Not zu helfen, fast immer einstimmig gutgeheißen. Menschen, die auf der Straße leben, haben mit den verschiedensten Problemen zu kämpfen und es ist wichtig, zu differenzieren zwischen drogenabhängigen Menschen, Personen, die in soziale Strukturen eingebunden sind, jedoch tagsüber auf der Straße leben, und Menschen, die psychische Probleme haben. Es ist kein Geheimnis, dass es in Luxemburg nicht genügend Strukturen gibt, um diese Menschen aufzufangen. Von den Menschen, die auf der Straße leben, haben sich manche frei für diese Lebensweise entschieden, bei anderen sind es Schicksalsschläge, die dazu geführt haben, dass sie obdachlos wurden. Wir - die Stadt Luxemburg, die Regierung und die verschiedenen Akteure vor Ort - stehen in der Verantwortung, all diesen Personen, soweit es geht, zu helfen. Die Stadt Luxemburg hat diese Verantwortung noch nie geleugnet. Seit Jahrzehnten bauen wir das Hilfsangebot aus. Wir wollen diesen Menschen helfen und können ihnen auch helfen. Vergangene Woche mussten wir uns immer wieder anhören, die Stadt Luxemburg bekämpfe die Armut nicht. Es war einfach nur schlimm, sehen zu müssen, wie verschiedene Mitglieder des Gemeinderats, statt zu differenzieren, nur pauschalisierten, um ihren Standpunkt zu vertreten. Dabei hatte ich immer den Eindruck, dass wir im Gemeinderat konstruktiv zusammenarbeiten, um die Menschen, die auf der Straße leben, zu unterstützen. Andererseits steht die Stadt Luxemburg auch in der Verantwortung, ihren Bürgerinnen und Bürgern zu ermöglichen, sich ohne Angst in ihrer Stadt bewegen zu können. Ich höre immer öfters von Einwohnern - von vielen Frauen, aber auch von Jugendlichen -, dass sie sich nicht mehr sicher fühlen, weil sie häufig auf der Straße verbal belästigt werden, bis hin zum Gefühl gewissermaßen verfolgt zu werden. Der Schöffenrat hat sich zum Ziel gesetzt, dies nicht mehr hinzunehmen. Die vom Schöffenrat ergriffene Initiative richtet sich ausschließlich gegen die aggressive, organisierte Bettelei. Die Stadt Luxemburg bietet niederschwellige Angebote in der sozialen Arbeit an, mit denen wir Menschen erreichen wollen. Dieses Angebot setzt sich aus zahlreichen Initiativen zusammen. Für Menschen, die auf der Straße leben, stehen zwei Dayshelter (Oberstadt: Rue Willy Goergen; Bonneweg: Bistrot Courage) und drei Nightshelter bereit. Viele Initiativen werden in enger Zusammenarbeit mit dem Familienministerium in die Wege geleitet und verwaltet. Auf dem Gebiet der Stadt Luxemburg funktionieren das Foyer Ulysse, die „Wanteraktioun“, die Dienstleistung „Premier appel“, die Angebote der Vereinigung „Stëmm vun der Strooss“, welcher wir kürzlich weitere Räumlichkeiten zur Verfügung gestellt haben, oder die Vereinigung „Médecins du Monde“, die zusammen mit unseren Streetworkern vor Ort unterwegs ist. Zu nennen wäre des Weiteren die „Vollekskichen“, deren Ziel es ist, dass alle Menschen, die Hunger leiden, eine warme Mahlzeit erhalten. Zusammen mit den Akteuren Caritas, Rotes Kreuz, InterActions, CNDS, „Stëmm vun der Strooss“, „ATD Quart Monde“, „Jugend- an Drogenhëllef“, „Médecins du Monde“, u.a. sind wir unterwegs, um diesen Menschen zu helfen, dies im Rahmen der Zielsetzung der Stadt Luxemburg, ein soziales Netz zu spannen. In den vergangenen fünf Jahren ist vieles geschehen. Die Stadt Luxemburg hat 38 zusätzliche soziale Posten geschaffen, um die soziale Arbeit, die vor Ort geleistet wird, noch besser zu unterstützen. In diesem Zusammenhang sei auch der „Service Streetwork“ genannt. Bei den relativ simplistischen Vorwürfen, die in den vergangenen Tagen von verschiedenen Gemeinderäten gegen den Schöffenrat gerichtet wurden, habe ich kein Wort der Anerkennung für die von den Streetworkern von Caritas, Rotem Kreuz und InterActions geleistete Arbeit gehört. Die Streetworker suchen den Kontakt mit den Personen, die auf der Straße leben, und versuchen, ein Vertrauensverhältnis aufzubauen. Sie leisten eine sehr empathische Arbeit, stehen diesen Personen zur Seite, versuchen, sie zu stärken und mit ihnen zusammen ein Lebensprojekt zu entwickeln, ihnen Perspektiven zu geben. Diese Dienstleistungen werden von der Stadt Luxemburg finanziert und wurden in den vergangenen Jahren ausgeweitet. Parallel dazu wurde das Projekt „A vos côtés“ ins Leben gerufen. Die Mitarbeiter dieses Projektes arbeiten mit den Streetworkern zusammen. Den Menschen, die in Not sind, wird geholfen und sie werden im Sinne einer weiterführenden Hilfe an die zuständigen Stellen weitergeleitet. Die Streetworker sind Tag für Tag unterwegs. Im vergangenen Jahr wurde haben sie 402 Mal „Einzelhilfe“ (z.B. administrative Unterstützung) bei Personen geleistet, die auf der Straßen leben. Weitere Angebote der Streetworker sind die Projekte „Lunettes“, „Open Space“, „Treff“, „Power Team“, „Streetfootball“, „Streetcare“, „Streethair“, „Streetsport“, „Streetart“ - alles Initiativen, die ihnen erlauben, den bedürftigen Menschen zur Seite zu stehen und ihnen Perspektiven zu bieten. Daher kann ich nicht hinnehmen, dass manche Gemeinderäte so tun, als ob die Stadt Luxemburg sich nicht für diese Menschen einsetzen würde. Zu erwähnen wäre auch das Projekt „Para-Chute“ im Bahnhofsviertel, wo alle Menschen, die Hilfe brauchen, sich hinwenden können. Die Stadt Luxemburg finanziert einen zusätzlichen Posten sowohl im Rahmen des Projektes „Para-Chute“ (Caritas Accueil et Solidarité) als auch im Rahmen des Projektes „Casier“ (InterActions). Die Stadt Luxemburg unterstützt das Projekt „Kulturpass“, d.h. dass wir auch dabei helfen, kulturelle Angebote für die betroffenen Menschen zugänglich zu machen. Wir versuchen diesen Menschen Angebote im Bereich Sport zu bieten, versuchen, ihnen in allen Lebenssituationen zu helfen und sie aufzubauen. Und dann die Unverfrorenheit zu haben, dem Schöffenrat vorzuwerfen, er wolle diese Menschen aus dem Stadtbild verschwinden lassen, ist populistisch, zeugt von schlechtem Willen und ist wahrscheinlichen dem Wahlkampf geschuldet! Es kommt auch einer Beleidigung für die vielen Mitarbeiter gleich, die Tag für Tag soziale Arbeit leisten. Der amtierende Schöffenrat ist fest entschlossen, weitere Projekte zu entwickeln. Nicht später als vergangene Woche habe ich mich mit Vertretern einer der genannten Akteure

90 DE SITZUNG VOM MONTAG, DEM 27. MÄRZ 2023 getroffen, um weitere Initiativen im Sinne der Unterstützung dieser Menschen zu lancieren, ihnen Perspektiven zu bieten. Wir geben uns nicht mit dem heutigen Stand der Hilfestellung zufrieden, sondern wollen weitere Projekte entwickeln und Hilfeleistungen ausbauen. In Zukunft werden wir ganz sicher noch mehr in die Unterstützung dieser Menschen investieren. Es braucht niemand zu meinen, dass das heutige Votum dazu führen wird, dass weniger geholfen wird. Jene Bettler, die einer organisierten Bettel-Bande angehören, lehnen jeden Kontakt mit unseren Dienststellen ab. Sie können oder wollen die Hilfe der Stadt nicht in Anspruch nehmen. Die Stadt Luxemburg steht mit den Akteuren der sozialen Arbeit im ständigen Dialog. Wir werden diese Zusammenarbeit weiterführen, die Angebote ausweiten, neue Projekte entwickeln. Die Mitglieder der Opposition haben es vermieden zu sagen, dass die Bettler-Banden aggressiv gegen andere Bettler vorgehen, gegen Menschen, die in Not sind, sie verdrängen und dabei nicht vor physischer Gewalt zurückschrecken. Auch das ist eine Realität. In den vergangenen Tagen habe ich erstaunliche und erschreckende Aussagen gelesen. Es freut mich jedoch, dass die vom Schöffenrat vorgeschlagenen Initiativen und Maßnahmen zur Unterstützung jener Menschen, die in Not sind, im Gemeinderat einstimmig gutgeheißen werden. Der Schöffenrat wird seine Arbeit im Sinne einer Unterstützung dieser Menschen weiterführen. Mit dem „Règlement général de police“ sind die organisierten Bettler-Banden visiert, deren Geschäftsmodell es ist, Menschen Geld aus der Tasche zu ziehen. Rätin Eduarda DE MACEDO (déi gréng): Außer zu Artikel 42 werden déi gréng ebenfalls Bemerkungen zu den Artikeln 2 und 34 der Polizeiverordnung anbringen. Betr. Artikel 2 können wir die vorgeschlagenen Fristen nicht unterstützen. Wir sind der Ansicht, dass die Frist, innerhalb derer eine Kundgebung im öffentlichen Raum bei der Bürgermeisterin angemeldet werden muss, zu lang angesetzt ist. Wir würden uns wünschen, dass die Frist von acht Tagen beibehalten wird, um das Recht auf freie Meinungsäußerung nicht zu sehr zu verletzen. Artikel 2 sieht des Weiteren eine Frist von einem Monat vor, um die Gemehmigung zur Organisation von Festen und anderen für die Öffentlichkeit zugänglichen Verantstaltungen, die im öffentlichen Raum stattfinden, beantragen zu können. Wir meinen, dass dies ein Problem darstellen kann, u.a. für Vereinigungen, die Veranstaltungen von etwas kleinerem Umfang organisieren möchten. Wir würden es begrüßen, wenn diese Frist verkürzt werden könnte. Da die Bestimmungen von Artikel 34 weiter ausgelegt sind als zuvor, befürchten wir, dass dadurch Kinder bestraft werden könnten, die auf der Straße spielen und z.B. mit Kreide Bilder auf die Bürgersteige malen. Auch Künstler malen im öffentlichen Raum, ohne dadurch die öffentliche Ordnung zu stören. Unsere Fraktion wird den neuen Artikel 42 nicht mittragen. Wir können einem allgemeinen Bettel-Verbot in der Stadt Luxemburg nicht zustimmen. Repression stellt keine Lösung für dieses komplexe, soziale und gesellschaftliche Problem dar. Wir nehmen das Problem der organisierten Bettelei und des Unsicherheitsgefühls der Bürger sehr ernst, lehnen es jedoch ab, Wählerstimmen auf dem Rücken der ärmsten Menschen unserer Gesellschaft zu sammeln. durch Statt einer durch wahltaktische Überlegungen motivierten Symbolpolitik braucht es eine globale Herangehensweise an sozialpolitische Fragen und Sicherheitsfragen. Der Schöffenrat erklärt, er wolle dem Problem der organisierten Bettelei den Kampf ansagen. Die vorgeschlagene Maßnahme ist nichts anderes als Wahlpolemik. déi gréng sagen nicht, dass die Stadt nichts unternommen hat. Wir haben genaue Kenntnis davon, was die Gemeinde alles unternommen hat und wir haben viele der bisher vom Schöffenrat vorgeschlagenen Maßnahmen mitgetragen. Ein Bettel-Verbot wird das Problem nicht lösen und wird die organisierte Bettelei nicht wegradieren, da sich die vorgeschlagene Maßnahme nicht wird umsetzen lassen. Sie wird nicht kriminelle Bettler stigmatisieren und weiter marginalisieren. Es handelt sich vielmehr um eine symbolische Maßnahme wenige Monate vor den Gemeindewahlen, die vergessen lassen soll, dass es Bürgermeisterin Polfer während fast drei Jahrzehnten Regentschaft in der Hauptstadt nicht gelungen ist, die Sicherheit im öffentlichen Raum zu gewährleisten, Sicherheit, die sie den Wählern seit Jahrzehnten verspricht. Das mag daran liegen, dass ihre Herangehensweise nicht die beste ist. Bürgermeisterin Lydie POLFER: Es fehlen Polizisten! Rätin Eduarda DE MACEDO (déi gréng): Mit dem allgemeinen Bettel-Verbot will der Schöffenrat den Wähler glauben lassen, die organisierte Bettelei eindämmen zu können. Die Verhängung eines allgemeinen Bettelei-Verbots ist in unseren Augen sozial ungerecht, ethisch nicht vertretbar, intellektuell unehrlich, zeugt von politischem Opportunimus, ist rechtlich anfechtbar und komplett ineffizient. Bettelei stört, ja, ruft widersprüchliche Emotionen hervor: Mitgefühl und Solidarität, Angst und Ablehnung. Muss Bettelei verboten werden, müssen Bettler vertrieben werden, werden wir „Bettler raus !“ rufen? Die Mehrheit der 196 im Rahmen der im Oktober 2022 in der Stadt Luxemburg durchgeführten Bestandsaufnahme erfassten Obdachlosen als Bettler zu bezeichnen, stellt die Verhältnismäßigkeit einer Maßnahme in Frage, eine Maßnahme, welche einige 70 Bettler daran hindern wird, zu versuchen, ihren Lebensunterhalt zu sichern, um Zehntausende von Bürgern und Touristen zu schützen. Das Familienministerium hat festgestellt, dass die Profile der Obdachlosen sehr unterschiedlich sind. Für die Begleitung der Obdachlosen gebe es keine „One size fits all“-Maßnahme, so die Ministerin, vielmehr müsse man von Fall zu Fall reagieren. Das vom Schöffenrat vorgeschlagene allgemeine BetteleiVerbot kommt einer „One size fits all“-Maßnahme gleich. Es stellt sich auch die Frage der gleichberechtigten Behandlung der Geschäftsleute in den verschiedenen Sektoren der Stadt Luxemburg. Mit dem neuen Reglement sind es die Stadtteile Oberstadt und Bahnhof, die am meisten vor Bettlern geschützt werden. Das Bettel-Verbot und die Vertreibung der Bettler aus der Oberstadt und dem Bahnhofsviertel wird eine Verlagerung der Bettelei in andere Stadtteile nachsichziehen und wird zudem zu einer Ausgrenzung und einer zusätzlichen Herabwürdigung der Personen und Gruppen von Personen führen, die dem Image des „citadin bon chic et bon genre“, des konsumierenden Touristen und der reichsten Hauptstadt Europas nicht schmeicheln. Warum sollte es nicht erlaubt sein, Geld zu erhalten, indem man an die Großzügigkeit, an das Mitgefühl und an die Menschlichkeit der Leute appelliert, solange man dabei nicht auf Mittel zurückgreift, die bereits gesetzlich verboten sind, z.B auf die Vortäuschung von physischen Gebrechen? Warum glauben wir, dass alle Bettler institutionelle Hilfe von den sozialen und karitativen Vereinigungen, die vor Ort tätig sind, annehmen müssten, Hilfe, auf die sie zudem ein Recht haben? Sollen wir den Menschen, die den Bettlern eine Münze oder etwas zu essen geben, das verbieten?

91 DE SITZUNG VOM MONTAG, DEM 27. MÄRZ 2023 Warum sollte ein Bürger gezwungen werden, Geld lediglich an anerkannte und angesehene Wohltätigkeitsorgansiationen zu spenden? Es gibt keinen Grund, Bettler zu kriminalisieren, die im öffentlichen Raum um ein Almosen bitten und die weder ein Verbrechen noch ein Vergehen begehen. In einer Gesellschaft, die auf das Zusammenleben schwört - wie oft haben wir alle in den vergangenen Monaten die Wichtigkeit eines guten Zusammenlebens hervorgehoben -, wäre es angebracht, daran zu erinnern, dass der öffentliche Raum für jeden da ist - und selbst wenn es peinlich sein kann, sollte Bettelei, ebenso wie Behinderung, Krankheit oder Alter, Not und der Bedarf an Hilfe im öffentlichen Raum sichtbar sein. Es sei auch daran erinnert, dass man einer Bettlerin mit der gleichen Höflichkeit begegnen kann wie einer Dame im Pelzmantel. Laut Thomas von Aquin ist das Gebot der Nächstenliebe besonders wichtig und er sieht Menschen mit mehr Besitztümern verpflichtet, Almosen zu vergeben. Wir sollen unseren Nächsten nicht nur in Sprache und Worten lieben, sondern auch in Tat und Wahrheit. Es scheint, dass Humanismus und Nächstenliebe für den Schöffenrat keine Tugenden darstellen. Ich habe auch von intellekuteller Unehrlichkeit und politischem Opportunismus gesprochen. déi gréng schockiert die Gleichsetzung von Bettelei, Drogenabhängigkeit und Obdachlosigkeit einerseits und die Gleichsetzung von Sicherheit und Sauberkeit andererseits. Die Realität ist sicherlich komplex, doch sollten wir versuchen, etwas Klarheit reinzubringen. Ein Bettler ist nicht unbedingt ein Obdachloser, ein Obdachloser geht nicht unbedingt betteln, ein Bettler ist nicht unbedingt ein Dieb und die meisten Diebe sind nicht unbedingt Bettler. Der Bettler, der am Eingang des Theaters sitzt, die Leute grüßt, um eine Münze bittet, ist weder ein Infektionsherd noch ein Aggressor. Die beschriebene Gleichsetzung wird auf gefährliche Art und Weise gepflegt und durch die auf Sicherheit pochenden Aussagen des Schöffenrates verstärkt. Die wahltaktischen und populistischen Aussagen des Schöffenrates tragen nur dazu bei, das Unsicherheitsgefühl der Bürger zu unterhalten und zu verstärken. Glauben zu tun, als ob der neue Artikel 42 notwendig sei, weil Artikel 41 es nicht erlaube, wirksam gegen die organisierte Bettelei vorzugehen, und so zu tun, als ob durch ein Verbot der „mendicité simple“ die organisierte Bettelei automatisch mitverschwinden würde, nennen wir Augenwischerei. Das Problem der organisierten Bettelei ist bekannt und wird ernst genommen. Die organisierte Bettelei wird bereits im Strafgesetzbuch als Straftat definiert, dies im Zusammenhang mit dem Vergehen des Menschenhandels. Das kommunale Reglement der Stadt Luxemburg verbietet die Bandenbettelei bereits und all diese Fälle müssen aufs Heftigste von Polizei und Justiz geahndet werden. Wir sollten auch nicht vergessen, dass Menschenhandel nicht nur im Bereich der Bandenbettelei, sondern auch im Baugewerbe und im Gaststättenbereich anzutreffen ist. Auch gilt es nicht zu vergessen, dass Bettler, die in organisierten Banden betteln, oft auch Opfer von kriminellen Machenschaften sind und ausgebeutet werden. Die vom Schöffenrat vorgeschlagene Einführung eines allgemeinen Bettelverbots ist lediglich pure Augenwischerei. Die juristischen Aspekte des Verbots wurden in der beratenden Kommission diskutiert. In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage, ob ein kommunales Polizeireglement Einschränkungen persönlicher Freiheiten einführen kann. Die Einführung eines allgemeinen Bettelverbots ist mit der europäischen Konvention der Menschenrechte nicht vereinbar. Im Urteil „Lacatus c. Suisse - Hudoc“ hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte festgehalten, dass Betteln nichts anderes sei als „le fait de s’adresser à autrui pour obtenir de l’aide et relève du droit à la vie privée“. Der Gerichtshof hat zurückbehalten, dass ein allgemeines Bettelverbot unverhältnismäßig zum verfolgten Ziel sei. Infolge dieser Gerichtssprechung hat die Schweiz ihr Gesetz dahingehend geändert, dass Betteln nur noch zu verschiedenen Uhrzeiten und an verschiedenen Stellen möglich sein soll. Der Schöffenrat der Stadt Luxemburg übernimmt diese Herangehensweise. Artikel 42 der Allgemeinen Polizeiverordnung hält fest, dass Betteln ausschließlich in den Sektoren Oberstadt und Bahnhofsviertel, sowie auf allen öffentlichen Plätzen und in allen Parkanlagen der Stadt Luxemburg verboten ist und dies praktisch den ganzen Tag über. Bürgermeisterin Polfer hat darüber hinaus angekündigt, dass, sollte sich die Bettelei in andere Viertel oder in den öffentlichen Transport verlagern, man diese ebenfalls in das Reglement aufnehmen könne. Die vom Schöffenrat vorgeschlagene Maßnahme ist völlig ineffizient und in der Praxis nicht umzusetzen. Diese Erfahrungen mussten Städte, die ähnliche Maßnahmen eingeführt haben, bereits machen. Kommunale Agenten und Bettler werden Katz und Maus spielen. Wie soll eine Geldbuße gegen einen Bettler verhängt werden können, wenn er mit betteln ja keine Straftat begangen hat? Mit dem neuen Artikel 42 im Allgemeinen Polizeireglement der Stadt Luxemburg wird die wahre Straftat nicht das Betteln sein, sondern der Tatbestand, zur falschen Zeit am falschen Ort zu sein. Es ist illusorisch zu meinen, dass mit einem Verbot der Bettelei die Bettler aus dem Stadtbild verschwinden. Betteln ist die Kehrseite des Reichtums und so wie die Migranten, folgen auch die Bettler den Ressourcen. Die Stadt Luxemburg ist reich und wird es auch bleiben. Die Ungleichheiten in der Wohlstandsverteilung werden in der ganzen Welt immer größer. Die Reisefreiheit und das Recht auf freien Aufenthalt innerhalb der Europäischen Union sind im Maastrichter Vertrag (1992) verankert und sind der Grundstein für die Bürgerschaft der Europäischen Union im Großherzogtum Luxemburg. Das Recht, sich frei bewegen zu können, gilt für alle, Bettler eingeschlossen. Die Politik muß den Bedürfnissen aller Bürger und vor allem den Bedürfnissen der Ärmsten unter ihnen Rechnung tragen. Mit dem neuen Artikel 42 tut der Schöffenrat genau das Gegenteil. Die Rolle der Mutigen und Visionäre, in der sich déi gréng sehen, ist es, die öffentliche Meinung aufzuklären, im Sinne eines tieferen, besseren und solidarischeren Verständnisses unserer Realitäten. In den Bereichen Soziales und Sicherheit ist eine globale und vorwärtsschauende Herangehensweise erforderlich. Unter dem vorangehenden Minister für innere Sicherheit wurde der Personalbestand der Polizei aufgestockt, u.a. indem zusätzliche Polizisten im Bahnhofsviertel eingesetzt wurden. Diese Entwicklung muss konsequent weitergetrieben werden. Das Betteln ist ein soziales und gesellschaftliches Problem. Repressive Maßnahmen bringen weder Verbesserungen noch fertige Lösungen. déi gréng setzen sich dafür ein, kronkrete und tiefgreifende Maßnahmen zu ergreifen, um Menschen in Not auf einem Weg weg von der Straße zu helfen: Housing first, Housing first und nochmals Housing first! Parallel dazu muss die Stadt Luxemburg im Sinne der Prävention den Bereich des Streetworking weiter ausbauen und Sensibilisierungsarbeit leisten. Des Weiteren ist es wichtig, dass die Auffangstrukturen dezentralisiert werden, damit sich die Probleme nicht an verschiedenen Standorten konzentrieren. Die Stadt Luxemburg sollte sich auch an Projekten anderer Städte orientieren, wo es gelungen ist die Situation dieser benachteiligten Menschen zu stabilisieren und sie dabei zu begleiten, dass sie ihren Lebensunterhalt verdienen können. Um den Bettlern und obdachlosen Personen zu helfen, braucht es eine individualisierte Begleitung.

RkJQdWJsaXNoZXIy NTkwNjU=